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BAG: Altersgrenze in Betriebsvereinbarung – Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge

Bei Einführung einer Altersgrenze durch Betriebsvereinbarung muss der Arbeitgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes Übergangsregelungen für rentennahe Jahrgänge vorsehen. Wie diese konkret zu gestalten sind, lässt das Bundesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung aus Februar 2017 jedoch leider weitgehend offen.

Personen laufen auf Linien

Ein Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch, wenn der Arbeitnehmer das für ihn oder sie maßgebliche Renteneintrittsalter erreicht. Das (fortgeschrittene) Alter des Arbeitnehmers rechtfertigt auch keine personenbedingte Kündigung.

Es ist allerdings möglich, in Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag wirksam eine Altersgrenze zu regeln, deren Erreichen zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Eine solche Regelung stellt dogmatisch eine Befristung des Arbeitsverhältnisses dar und bedarf daher der Schriftform und eines Sachgrundes gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Das BAG erkennt das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung als Sachgrund an. Auch ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung liegt nach der Rechtsprechung des EuGH und des BAG nicht vor, wenn auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abgestellt wird.

Viele – insbesondere ältere – Arbeitsverträge enthalten allerdings keine Regelung zu einer Altersgrenze. Arbeitnehmer haben meist auch kein Interesse daran, einer entsprechenden Vertragsänderung zuzustimmen. In diesen Fällen sind die kollektivrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten besonders relevant. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BAG sind vorformulierte Arbeitsverträge (AGB) in der Regel als betriebsvereinbarungsoffen anzusehen und damit einer Veränderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich, auch wenn eine solche Änderung zum Nachteil des Arbeitnehmers sein sollte. Diese Rechtsprechung hat den Gestaltungsspielraum für Arbeitgeber erheblich erweitert und die Einführung einer Altersgrenze ohne Zustimmung des Arbeitnehmers eröffnet.

In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG nun allerdings eine Altersgrenzenregelung in einer Betriebsvereinbarung als unwirksam eingestuft, da keine Übergangsregelungen für rentennahe Arbeitnehmer vorgesehen waren (BAG vom 21. Februar 2017 – 1 AZR 292/15, NZA 2017, 738).

Geklagt hatte ein 1948 geborener Arbeitnehmer, der bereits seit 1969 auf Basis eines mündlichen Arbeitsvertrages bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war. Kurz vor dem 65. Geburtstag des Arbeitnehmers im Jahr 2013 trat bei dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung in Kraft, mit der eine Altersgrenze eingeführt wurde. Der Kläger erhielt im September 2013 die Mitteilung, dass sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2013 aufgrund des Erreichens der Altersgrenze enden werde.

Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht, der sich auf eine Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung berief. Damit wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht wirksam beendet. Nach Ansicht des BAG sind Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen zwar von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst, es stellt jedoch einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes dar, wenn eine solche Betriebsvereinbarung keine Übergangsregelungen für rentennahe Jahrgänge enthält. Diese neue Anforderung ist bei der Gestaltung entsprechender Betriebsvereinbarungen zwingend zu beachten. Das BAG nennt in seiner Entscheidung nur stichpunktartig einige Gestaltungsmöglichkeiten für solche Übergangsregelungen: individuelle Verlängerungsmöglichkeiten, finanzielle Kompensation oder ein Hinausschieben oder Absehen von der Einführung einer Altersgrenze für rentennahe Jahrgänge. Offen bleibt auch, ab wann ein Arbeitnehmer der Gruppe der „rentennahen Jahrgänge“ zuzuordnen ist, für die Übergangsregelungen erforderlich sind. Die Entscheidung des BAG führt daher zu einer Rechtsunsicherheit bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarung zur Einführung einer Altersgrenze. Das BAG hebt unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hervor, dass Arbeitnehmern eine angemessene Zeitspanne eingeräumt werden muss, um sich auf ihre durch die Altersgrenze veränderte rechtliche Lage einzustellen. Welche Zeitspanne als angemessen angesehen werden kann, bleibt leider unbeantwortet. Unseres Erachtens sollte Arbeitnehmern, die bei Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung schon kurz vor der jeweiligen Regelaltersgrenze stehen, vor diesem Hintergrund bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Frist von mindestens sechs bis zwölf Monaten eingeräumt werden. Unbedingte Untergrenze sollte aus unserer Sicht jedenfalls die einschlägige ordentliche Kündigungsfrist sein.

Dr. Jochen Keilich, LL.M. (Exeter)

Dr. Jochen Keilich ist spezialisiert auf Umstrukturierungen, Personalabbaumaßnahmen, HR Compliance, Betriebsübergänge sowie Verhandlungen mit Betriebsräten und Gewerkschaften.

Meike Christine Rehner

Meike Christine Rehner ist spezialisiert auf internationales und europäisches Arbeitsrecht, Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsrecht, Unternehmensrestrukturierungen und Kündigungsrechtsstreitigkeiten.

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